Skeyfare

02. Juni 2023, 15:00:37
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Skeyfare » Allgemeines » Literarischer Polyeder » Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter

Autor Thema: Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter  (Gelesen 22265 mal)

Offline kolvar

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #15 am: 01. August 2003, 12:06:39 »
Zu Paul Sacher habe ich da nur gelesen, daß es zwar ähnlichkeiten gibt, aber auch nicht mehr. Zuviel läßt sich nicht unter einen Hut bringen (ich denke da ist Höfgen eher Gründgens als Edwin Paul -- Toller Satz)
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Offline Holgi

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #16 am: 01. August 2003, 12:48:45 »
Wenn man so will, hat jeder Roman etwas Autobiographisches. Schließlich ist es einem Autor ohne eigene Biographie nicht möglich, fremde Biographien zu erfinden/nachzuerzählen. Der Verdacht, daß es sich um einen autobiographischen Roman oder gar um einen Schlüsselroman (weie "Mephisto") handeln könnte, hat sich mir beim Lesen jedoch nicht aufgedrängt. Eher im Gegenteil. Die festzustellende Distanz, die streckenweise sogar zur Kälte wird, ließe sich so kaum erklären. Übrigens würde ich das Werk eher als Erzählung bezeichnen und nicht- wie der Autor das tut- als Roman. Aber das nur am Rande.

Offline Makkharezz

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #17 am: 01. August 2003, 18:26:18 »
Ich denke auch: für mich als Leser hat es nich so viel Bedeutung, ob es autobiographisch ist oder nicht, denn mein Bezug zur Geschichte ändert sich dadurch nicht. Für den Autor ist es mit Sicherheit ein Unterschied, aber das ist seine Angelegenheit, nicht meine. Solange ih unterhalten werde, darf sich jeder Autor auch gern durchs Schreiben seine Probleme wegtherapieren.  
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Offline kolvar

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #18 am: 01. August 2003, 19:43:26 »
Und ich dachte, wir wollen uns über den Roman unterhalten und ihn auch ein wenig analysieren und interpretieren, ihn evtl. verstehen und uns nicht darüber einig werden, wie wir ihn gefunden haben und was für einen Lesespaß wir daran hatten.
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Offline Holgi

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #19 am: 01. August 2003, 23:24:18 »
Was ist denn los, Kolvar? Wir analysieren und interpretieren doch. Das Buch bietet jedoch offenbar nur wenig Stoff zum Diskutieren. Anscheinend hatten wir alle sehr ähnliche Eindrücke beim Lesen. Vielleicht sollten wir uns beim nächsten Mal ein kontroverses Buch mit Sprengstoff aussuchen, etwa "Ausweitung der Kampfzone". Dann wird es heftig was zum Diskutieren geben. Versprochen. Allerdings bin ich mit unserer bisherigen Diskussion zum Thema Urs auch sehr einverstanden. Ich finde es jedenfalls interessant.

Offline Chacota

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #20 am: 02. August 2003, 01:26:57 »
Hm, da gehts mir jetzt wie Holgi, eine absolute Interpretation liegt mir nicht so - und dem Buch auch nicht. Letztendlich ist es keine Metapher, sondern ein Roman, der mir nahe bringt, wie schrecklich unerwiderte Liebe ist und zwar auf einer Basis zwischen Roman und Erzählung, zwischen Fiktion und Realität. Mir fehlen die Ansatzpunkte für eine tiefergreifende Umdeutung.
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Offline kolvar

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #21 am: 02. August 2003, 10:02:11 »
Mein Posting bezog sich vornehmlich auf M-Unaussprechlichs letzte Äußerung. Außerdem finde ich a.) daß wir nicht besonders viel interpretieren und b) das Buch schon so einiges an Interpretationsbedarf hat, sonst würde ja nicht die Meinung bestehen, daß die Mutter nicht ausreichend beschrieben wurde u.a.
Das meiste, was bisher gesagt wurde war eher auf der Ebene: Ich fands gut, wie fandst du es, oder das ist so, das ist aber nicht so. Und dann natürlich noch: es ist wie, es ist nicht wie jenes Buch/ jener Film. Das sind doch keine Interpretationen, aber man könnte welche draus machen.
Ich will auch keine "tiefgreifende Umdeutung", nur eine ausreichende Deutung, ein verstehen des Buches (was zumindest bei mir noch nicht gegeben ist, zumindest nicht so, daß ich es befriedigend nennen würde).
Chacotas ansatz erscheint ja auf den ersten Blick noch ganz nett, aber haben wir uns nicht alle mal unglicklich verliebt und haben uns trotzdem nicht von jährlichen Blumen abhängig gemacht um später Selbstmord zu begehen? Klar ist unerwiederte Liebe schlimm, und man hat auch daran zu knapsen, aber nicht so schlimm, daß ein auch nur halbwegs ausgeglichener Mensch ohne einen Selbstmord damit klar kommt oder Jahrelang ständig ins Wasser geht.
Der Geliebte ist, meiner Meinung nach, nur das Maß, an dem die Mutter gemessen wird. Sie ist nicht ganz dicht, um es mal salopp auszudrücken. Und es ist die Geschichte einer labilen Frau, die falsch verstanden, introvertiert, und in ihrer eigenen Welt gefangen ist, nicht die Geschichte einer Frau, die an ihrer unglücklichen Liebe zerbricht (oder zumindest nur zum Teil). Entweder das, oder sie ist niemals erwachsen geworden, denn meiner Meinung nach bringen sich fast nur Jugendliche wegen unerwiederter Liebe um.

Zum thema autobiorgraphisches: es gibt verschiedene Interpretationstheorien. eine davon ist "Der Tod des Autors", welche davon ausgeht, daß ein Buch komplett losgelöst vom Autor gelesen und verstanden werden muß. Halte ich nichts von, zumindest als alleiniger Ansatz. Es fängt damit an, daß unser Buch in der Schweiz spielt und Widmer Schweizer ist, er also als Insider über etwas schreibt, von dem er selbst betroffen ist, nicht als, vielleicht von den Schweizern genervter, Aussenseiter. Man kann den Autor nicht komplett außen vor lassen, um ein Buch zu verstehen, man kann ihn aber erste mal ignorieren und sehen, was man von einem Buch denkt, ohne etwas über den Autor zu wissen. Dies zeigt sich auch schon daran, daß es ja einen Nachfolgeroman gibt, der sich mit dem Vater beschäftigt, der damit bestätigt, daß es den Vater gibt. ohne diese Buch könnte man immer noch davon ausgehen, daß der Vater eine Metapher für irgend etwas anderes ist. Daher haben beide Ansätze zur vollständigen Anaylse ihren Wert. Aber ohne den Autor wird man etwas anderes in ein Buch hineinlesen oder es sowieso nur als Lektüre betrachten. Und dazu kann man einfach eine Rezension schreiben und hinterher glücklich sein, daß man was nettes gelesen hat.

Aber wenn allgemein die Meinung besteht, daß Urs nicht Interpretationswert ist, dann such jemand ein anderes Buch (mit den Vorgaben max 200 Seiten, nicht teuer und frei erhältlich) heraus, daß mehr Sprengstoff enthält.

So, jetzt könnt ihr eure Flammenwerfer anschalten und mich abkokeln.
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Offline Chacota

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #22 am: 02. August 2003, 16:11:08 »
Pech gehabt, hab grad keinen griffbereit und ausserdem ist dein posting noch keinen Flächenbrand wert.

O.k., es geht um das Innenleben der Mutter:
Jeder war mal unglücklich verliebt und hat sich nicht umgebracht - zählt nicht, dass solche Gefühle in Büchern überhöht werden und dadurch manchmal etwas unrealistisch wirken kann Zweck eines Buches zur Verdeutlichung des Themas sein.
Wenn ihre unglückliche Liebe nur als Anschauungsbeispiel für ihren Hau dient ist das Buch schlecht, denn der Hau interessiert mich nicht, da es keinerlei weiterführende Anhaltspunkte gibt was diesen hervorgebracht hat und wie ihre restliche Umgebung (Sohn, Gatte, Verwamndten) damit umgeht.
Für mich bleibt nur die Liebe und dann wirds interessant unter welchen Aspekten eine unglückliche Liebe so tragisch werden kann: Lieblose Kindheit, zweckloses Dasein, Verharren in Vergangenheit, Sturheit, kein Willen seinem Leben eine eigene, neue Richtung zu geben (dieses erneute Zusammentreffen mit Bartok ist da typisch) . . .

Das wäre mein weiterer Ansatz.
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Offline Makkharezz

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« Antwort #23 am: 02. August 2003, 16:50:06 »
Falls das Niveau meiner Beiträge dem Anspruch dieser Runde nicht genügt, entschuldige ich mich  :p (Nich' so ernst nehmen, Cool-War)
Aber für mich ist bei einem Buch wichtig, was es MIR sagt, und nicht so sehr, was der Autor vielleicht für Symbole eingebaut hat oder ob er z.B. nebenbei noch irgendwelche Schweiz-spezifischen Dinge ansprechen will. Und ich finde, es ist auch interpretieren, wenn wir drüber reden, was uns das Buch sagt. Aber wenn jemand gern ein wenig tiefer interpretieren will, dann werfe er doch einfach eine entsprechende Frage in den Raum, über die wir uns gemenisam Gedanken machen können. Wie wär's zum Beispiel mit:

Was hat es zu sagen, dass Edwin schon beim 1. Auftreten mit Namen bezeichnet wird, dass man Claras Namen aber erst viel später erfährt, wenn sie von ihren Verwandten begrüßt wird, und dass ihr Ehemann überhaupt keinen Namen abkriegt?

Oder: kommt es durch die Erwartungshaltung der damaligen Gesellschaft, dass die Mutter gezwungen ist, so krampfhaft zu versuchen, eine gute Gastgeberin, Hausfrau, Ehefrau, Gärtnerin... zu sein? Oder kamen ihr vielleicht die etwas starren gesellschaftlichen Normen gerade recht, weil sie sich dahinter verstecken konnte und so nicht gewzungen war, eine besonders inidividuelle Persönlichkeit zu werden?
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Offline kolvar

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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #24 am: 02. August 2003, 19:50:31 »
Sehr schön M-unaussprechlich.


@Chaco: Ja, stimme ich dir zu, daß das zur Verdeutlichung des Themas dienen kann, aber was ist wirklich das Thema.
Ich denke M-U. ist da auf einer Spur. erst einmal eine Gegenfrage dazu: ist sie wirklich keine individuelle Persönlichkeit?
Und versteckt sie sich wirklich dahinter, oder ist es so in sie eingebrannt, daß sie gar nicht aus ihrer Rolle heraus kommt und deshalb umso entwurzelter ist, als sie es nicht mehr ausführen kann. letzteres ist wohl nicht richtig, da sie ja zwischenzeitlich auch wieder die Gelegenheit dazu hat und trotzdem nicht glücklicher wird (oder ist sie da glücklicher? ich weiß es jetzt nicht).
Ich werde wohl noch einmal lesen, um evtl. dazu eine Antwort zu finden.

Was es zu bedeuten hat, daß Edwin gleich genannt wird, weiß ich auch nicht. Normalerweise würde ich sagen, damit wird seine Bedeutung hervorgehoben. Aber was ist seine Bedeutung? Ist er das Zentrum des Buches, um daß sich alles dreht? Wohl kaum. Die Mutter ist das Zentrum, die Hauptperson. Wahrscheinlich wird damit nicht die Bedeutung Edwins demonstriert, sondern das Selbstwertgefühl der Mutter.
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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #25 am: 03. August 2003, 01:03:31 »
Ich weiß nicht so recht, wie ich mich ausdrücken soll, aber ich versuch´s einfach mal (alte Anwaltstaktik): "Der Geliebte" hat nicht mein Innerstes aufgewühlt. Es war eine Empfehlung wert, und ich bin froh, daß ich es gelesen habe. Aber soviel Diskussionsbedarf sehe ich selbst nicht. Folgendes istt jedoch noch zu sagen: Die Mutter definiert sich nur über Edwin. Sie steigert sich dabei in einen Wahn, der sich verstärkt, als ihre realen Bezugspunkte zu Edwin immmer mehr abnehmen. Edwin selbst hat am Ende ja soger Mühe, sich an ihren Namen zu erinnern. und zwar Ihr (namenloser?) Sohn ist nur der Chronist, der Mann wir kaum erwähnt, die politischen Umwälzungen laufen an der Mutter vorbei. Sie ist vermutlich depressiv, aber ich tippe auch auf deutliche schizophrene Einflüsse. Schizophrenie äußert sich in den allerseltensten Fällen in einer Jekyll/Hyde-Smptomatik. Häufiger ist es, daß für den Betroffenen Wirklichkeit und Traum/Wahn nicht mehr auseinanderzuhalten sind. Genau so dürfte es sich hier verhalten. Die große Leidenschaft existiert nur in ihrem Kopf. Wahrscheinlich ist sie- nicht zuletzt aufgrund ihrer eigenen Kindheit- gar nicht zu echter Liebe fähig. Auch Edwin scheint von Claras Liebe nicht allzu viel gespürtt zu haben, denn sonst wäre die Geschichte ja sehr viel anders verlaufen. Auch das wahnhafte Umgraben des Gartens, der Gang zum Wasser mit dem Kind auf dem Arm u.ä. sprechen für schizophrene Episoden bzw. für Boarderline-Symptomatik. Die Mutter ist bis zum Schluß nicht komplett durchgeknallt (siehe Abschiedsbrief), aber das ist ebenfalls nichts Ungewöhnliches.

@Kolkrab:
Du wolltest einen Vorschlag hören, also bitte sehr:

Michel Houellebecq, "Ausweitung der Kampfzone". rororo, ehemals 14,90 DM, heute wahrscheinlich 7,90 EURO, 170 Seiten Gewalt und Kampf der Geschlechter. Zündstoff pur.
 
Alternativorschläge:

-Jeremias Gotthelf, "Die Schwarze Spinne", erschienen bei Reclam,
Horror, Mittelalter, alles drin. Das pralle Leben.

-Kleist, "Michael Kohlhaas", ebenfalls Reclam. Dürften die meisten von uns bereits in der Schule gelesen haben. Wie weit sollte man gehen, um sein Recht durchzusetzen. Nach wie vor finde ich, daß es kaum ein anderes Buch gibt, über das sich so gut diskutieren läßt.


 

Offline kolvar

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« Antwort #26 am: 03. August 2003, 08:54:01 »
Ich denke, für Edwin ist es gleichgültig, ob die Liebe da war oder nicht. Die Mutter war für ihn uninteressant, deshalb hat er sie abserviert. (Immerhin hat sie nichts von der Hochzeit mitbekommen, d.h. es wurde ihr gegenüber wohl auch verschwiegen. Als so wichtiges Mitglied des Orchesters hätte er sie doch wohl einladen, oder wenigstens informieren können. Hat er aber nicht, d.h. sie wurde hintergangen, abserviert, wie auch immer. Was für mich bedeutet, daß Edwin schon was von der Liebe der Mutter wußte, sich aber als echter Egoist erwiesen hat, der er die ganze Zeit zu sein scheint, und sich überraschenderweise für den Reichtum entschieden hat. Ich denke Edwin ist es hier, der nicht zur Liebe fähig ist, nicht die Mutter. Ja, sie steigert sich da rein und ist nicht dicht, Und die Gründe, warum sie Edwin liebt, sind vielleicht auch nicht die reinsten, aber dennoch denke ich, daß es schon Liebe ist.


Michael Koolhas habe ich noch nicht gelesen, würde aber was bevorzugen, was noch niemand bisher gelesen hat, sonst würde ich die Ratten vorschlagen (oder die Gelehrtenrepublik).
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« Antwort #27 am: 03. August 2003, 11:52:31 »
Ein ziemlich schlauer Leut hat mal gesagt, man kann erst dann andere Personen lieben, wenn man sich selbst liebt. Bei der Mutter habe ich nicht den Eindruck, dass sie besonders viel Selbstvertrauen hat oder sich akzeptiert. Eher versucht sie Leben lang, ihren Wert durch ihre Tüchtigkeit unter Beweis zu stellen, scheitert aber wohl an ihren eigenen Ansprüchen. Soweit man's aus dem Buch ablesen kann, glaube ich auch, dass die Mutter nicht in der Lage ist zu lieben.

Ob Edwin auch unfähig ist zu lieben, finde ich schwer zu sagen, denn von ihm ist zwar viel die Rede, aber man erfährt wenig über sein Innenleben. Er scheint sehr egozentrisch zu sein, aber ob er aus Liebe heiratet oder nicht, kann man nicht sagen.

Was die neuen Buchvorschläge angeht: Danke dass ihr euch Gedanken und Mühe macht, Vorschläge rauszusuchen. Mir fällt die Entscheidung schwer, da mir kaum eins der Bücher überhaupt was sagt, geschweige denn ich eins davon gelesen hätte. Schließe mich also gern der Mehrheit an, so lang das ausgesuchte Werk nicht zu umfangreich ist und für Normalsterbliche verständlich. (Sorry Holger, James Joyce ist damit aus dem Rennen ;) )
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Offline kolvar

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« Antwort #28 am: 04. August 2003, 10:13:35 »
Hab jetzt noch mal, zufallsmäßig ins Buch geschaut und bin auf die Bergsteig-Szene gestoßen. Und da ist mir aufgefallen, daß sie
a.) sich für Begeisterung begeistert (Edwin ist von seiner Musik begeistert, ihr Vetter von Mussolini)
b.) stark sein kann, wenn andere schwach werden (sie übernimmt die Führung und ändert ihre gesamte Verhaltensweise als ihr Vetter sich vor Angst in die Hose macht)
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Replying to Topic 'Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter'
« Antwort #29 am: 04. August 2003, 21:11:05 »
Überzeugt mich nicht wirklich: Ist sie in der Szene denn innerlich stark? Sie selbst hat ja keine Angst vor dem Gewitter, sondern kümmert sich nur - mal wieder - um Notwendigkeiten, weil Boris das nicht auf die Reihe kriegt. Genauso wie sie früher im Orchester alles organisiert und an alle Dinge gedacht hat, die Edwin sonst vergessen hätte. Es sei denn, die Szene soll irgendwas Symbolisches darstellen, was weiß ich, das Gewitter als Sinnbild für die Widrigkeiten des Lebens oder so, dann hätte ihre Führung eine echte Bedeutung. Ansonsten ist das für mich nur Funktionieren.
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