Skeyfare

03. Juni 2023, 01:38:08
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Autor Thema: Gedanken zur Weihnachtsgeschichte  (Gelesen 9671 mal)

Offline kolvar

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Gedanken zur Weihnachtsgeschichte
« am: 29. Februar 2008, 00:50:36 »
Als ich heute in der Kirche saß und zum keine Ahnung wie vielten Mal die Weihnachtsgeschichte hörte, fiel mir etwas seltsames auf:
Die Situation ist wie folgt: Wir haben eine Erstgebährende, das Kind ist offensichtlich so wichtig, dass da ein paar höhere Wesen involviert werden, die in der ganzen Gegend herumposaunen, dass da etwas passiert.
Schön und gut.
Aber wem sagen die Flügelwesen da bescheid?
Noch mal zur Erinnerung: Erstgebährend, in einem Stall, ein genervter (lange gesucht und kein Zimmer gefunden), unerfahrener  (auch bei ihm das erste Kind) und erschöpfter (ganzen Tag gewandert) Ehegatte die einzige Hilfe (mal von Kuh und Esel abgesehen). Mutter, da ja schon ein wenig instruiert von einem gewissen Gabriel, dass da was tolles passiert, evtl. nicht so beunruhigt, wie normalerweise Erstgebährende es wären, die fern von der Heimat, in einer unbekannten Gegend, ohne irgendwelchen Beistand ein Kind zur Welt  bringen sollen. Aber vermutlich tut es trotzdem weh (der ganze: Als Mensch unter Menschen legt einen normale Geburt nahe), sie flucht auf ihren Mann, sie kratzt, beißt und haut und hat alle Hände voll zu tun.
Wen würde jeder normale Mensch mit ein wenig Verstand als erstes Benachrichtigen? Ich tippe auf das Equivalent des lokalen Gebährhelfers, also eine Hebamme oder kundige, vermutlich ältere Frau.

Und zu wem gehen die Flattermänner als erstes: Zu Hirten! Klar, logische Entscheidung, haben ja schließlich viel Erfahrung mit Schafsgeburten.

Zugegeben, super alegorisch, symbolisch oder sonst was fremdwörtliches mit tieferem Sinn.
Aber echt Kontraproduktiv und verdammt unfair der Maria gegenüber: Hey Jungs, kommt doch rein, ich sehe zwar gerade nicht so ganz auf dem Damm aus, aber schön, dass ihr vorbeischaut. Beachtet den Dulli mit dem zerkratzten Gesicht neben mir überhaupt nicht, der Penner konnte ja nicht mal Vorbuchen. Aber es ist schön, dass ihr alten Stinker hier vorbeischaut, richtig Terz macht (nein nein, Flöte und Trommel sind überhaupt kein Problem - Die Ohren des Babys werden schon wieder heilen von dem Gehörsturz) und überhaupt war mir gerade nach dieser richtig miesen Erfahrung ganz besonders wichtig, dass mein Bonding mit meinem ersten Kind nicht stattfindet. Nein, überhaupt kein Problem. Vielleicht kann mir einer von euch jungs erklären, wie das mit dem Stillen genau funktioniert, ihr kennt euch doch mit Melken aus. Oder vielleicht kann ich mir eines von den Schaffellen zum Wickeln ausleihen... usw., usf.

Vielleicht hatte ja einer von euch auch einen hübschen Augeöffner bei der Weihnachtsgeschichte dieses Jahr.
"Jeder, der  genaustens Buch über seine geistige Stabilität führt, kann sich sicher sein, daß er etwas vergessen hat, zu notieren."
Aus: Die freundilchen Weisheiten des Kolvar, Bd 1,5,26

Offline kolvar

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Re: Gedanken zur Weihnachtsgeschichte
« Antwort #1 am: 29. Februar 2008, 20:35:31 »
Heute schon wieder in der Kirche gewesen und mußte prompt an etwas Denken, was mich schon in meiner Jugend beschäftigt hat:
Aus der prophezeihungsgenese und rechtfertigungssicht des Messiasstatus für Jesus ergibt sich die Notwendigkeit, dass er aus dem Hause Davids stammt. Dies wird ja nun über seinen etwas farblosen Vater erfüllt, dem man immerhin zu gute halten muß, dass er anscheinend hervorragend damit umgehen kann, ein Kind untergeschoben bekommen zu haben.
Aus der Dreifaltigkeitssicht heraus ist es jedoch zwingend Notwendig, dass Gott über den Heiligen Geist der Vater ist.
Wie funktioniert das also: Entweder hat sich Maria als Jungfrau (zweifelhafter Status, der wohl nur für die katholische Kirche gewicht hat) mit dem Heiligen Geist eingelassen und es gab eine Infusion von spirituellem Sperma, dann hätten wir einen Gottessohn, aber keinen Nachfahren Davids.
Oder sie war nun so was von überhaupt nicht jungfräulich, diese Empfängnis, und wir haben da ein eheliches Kind vom Stamme Davids.
Ein paar Lösungen fallen mir dazu ein, die aber alle nicht wirklich befriedigend sind.
1. Die Erbfolge wurde zwischendurch mal kurz, für diesen einen Fall auf die Mutter übertragen und Maria stammt auch aus dem Hause Davids. Sehr unwahrscheinlich, da für die patriarchalisch eingestellten Patriarchen nicht nachvollziehbar.
2. Der Geist hat von Joseph besitz ergriffen und Gott ist so in dem Zeugungsakt geistig der Vater, körperlich bleibt es aber Joseph. Jetzt mal von dem Problem, dass hard-core katholigen damit haben, abgesehen, ist das ein ziemlich untypisches Verhalten für unseren Gott. Und irgendwie fühlt sich das sehr blasphemisch und überhaupt nicht judao-christlich an.
3. Der Geist hat das Sperma Josephs umgewandelt. Sehr hübsch mystisch (Sperma, dass von zwei Vätern stammt - etwas, an dem sich Theologen lange die Zähne ausbeissen können). Aber irgendwie ziemlich seltsam und zu wissenschaftlich im Ansatz.
4. Jesus war nur ein normaler Mensch. Wer als Christ damit kein Problem hat gehört keiner der gängigen Konfessionen an.
5. Jesus gehörte nicht zum Stamm Davids. O.K. vermutlich die aus theologischer Sicht beste Variante, da wir nur auf David verzichten müssen. Aber eben keine Lösung
6. Wir tun es als ein weiteres Mysterium ab, dass für Laien unverständlich ist.
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Offline Laurentus

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Re: Gedanken zur Weihnachtsgeschichte
« Antwort #2 am: 03. März 2008, 23:49:18 »
Da das ja nun extra dazu einlädt hier auch mal eine Gegendarstellung vorzubringen, komm ich wohl nicht umhin:

Also erstmal zur Geburt.
1. Zu den damaligen Zeiten waren die Leute auf jeden Fall noch nicht so weit ab von den "natürlichen" Umständen und Geschehnissen des Lebens wie wir es heute mit High-Tech-Medizin und so weiter sind. Also war auch eine Geburt eher eine etwas normalere Sache als heute. Es ist auch davon auszugehen, dass beide Elternteile im Zusammenhang ihres vorangegangenen Familienlebens bei Geschwistern, Onkels, Tanten, Eltern, Cousins und Schwägerinnen Geburten miterlebt hatten - auf Grund der meist eher einräumigen Wohnsituation im näheren Orient vor ca. 2000 Jahren wohl auch etwas hautnäher als wir das so gewohnt sind. Das Paar hatte also zumindest einen rudimentären geburtshelferlichen Hintergrund in Petto und kannte bestimmt die wichtigsten Vorgehensweisen, zumindest bei einer physiologischen Geburt.
2. Auch heutzutage gelingt es immer wieder Elternpaaren, wahlweise auch Müttern ganz alleine, Kinder ohne weitere Hilfe auf die Welt zu bringen. Auch mit Erfolg und tatsächlich richtigen lebenden Kindern. Wir haben da sogar im etwas weiteren rollenspielerischen Bekanntenkreis ein Paar, denen das irgendwo zwischen Flur und Klo in ihrer Wohnung zu Hause gelang. Alle überlebten mehr oder minder unbeschadet.
3. Nur weil es nicht geschrieben steht (ja ich weiß, man kann mich hier der freien Exegese bezichtigen .....) heißt es ja noch lange nicht, dass nicht doch jemand geholfen haben könnte, die halt nur keine direkte Erwähnung fand.
4. Übrigens es in Israel die ersten Hebammen überhaupt gab (meines Wissens nach), die sogar schon sowas wie Geburtshocker benutzten. Das nur zum Schlaukacken am Rande.

Die Hirten.
Spielen halt auf Grund ihrer sehr niedrigen Stellung in der Gesellschaft damals eine wichtige Rolle. Gott durch seine Engel setzt hier das Zeichen, dass sein Sohn in die Welt gekommen ist nicht als Herrscher und König, sondern er zu allen, auch den "letzten", den Menschen im Abseits, am Rand der Gesellschaft, den Ausgestoßenen gekommen ist, da alle Menschen Gott wichtig sind.

Die Abstammung Jesu.
Wenn wir es also mal versuchen wollen, die Sache logisch anzugehen, dann wäre also der "biologische" Vater des Kindes Gott, durch seinen Geist oder den heiligen Geist, wie auch immer man sich dass vorstellen mag. Eine klassische Wunderwirkung also. Das mach Jesus damnach zum Sohn Gottes. Es bleibt natürlich eine Glaubensentscheidung, ob man sich auf dieses Modell einlassen will oder nicht.
Aber rein weltlich betrachtet ist das Kind, das ja keinen direkten leiblichen Vater vorweisen konnte, von Joseph als sein eigen akzeptiert worden, also quasi adoptiert worden. Das macht ihn dann doch, gerade nach dem israelischen Stammesrecht, zu Josephs Sohn. Schließlich waren ja auch Verwandte bei Verwitwung einer Frau angehalten, die Frau und ihre Kinder als ihre eigenen anzunehmen (s. Mosebücher). Damit kann man dann auch eindeutig sagen, dass Jesus zum Stamm Davids zählte, für wen auch immer das wirklich wichtig sein mag.

Und zum Schluss noch meine persönliche Vorstellung von der Erklärung verschiedener biblischer Begebenheiten:
Es wird immer wieder der Versuch unternommen, sehr stark und meinem Empfinden nach auch mit zunehmender Begeisterung, von christlicher Seite, biblische Begebenheiten, vor allem auch Wunderwirkungen, wissenschaftlich erklären zu müssen. Ich halte dies für keinen guten Ausgangspunkt für den Weg eines glaubenden Menschen. Warum soll man ein Wunder nicht ein Wunder sein lassen, ein Wirken Gottes in dieser Welt, das außerhalb des wissenschaftlich erklärbaren liegt? Wer versucht, für alles eine wissenschaftliche Erklärung zu finden, der verfehlt den eigentlichen Sinn der, in diesem Falle christlichen, Religion. Denn hier geht es ja gerade darum Antworten auf Fragen zu finden, die ausserhalb dieses messbaren Bereiches liegen.
Jesus sagt: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht das Himmelreich erreiche können." Das bezieht sich für mich auch ganz stark auf diese rationale Sichtweise und bedeutet m.E., dass wir einfach auch mal das "wunderbare" in der Welt hinnehmen sollen; mit staunenden Augen und ohne zu Hinterfragen warum. Einfach annehmen wie es ist, auch wenn es schwer fällt und es uns ganz anders beigebracht wurde.
« Letzte Änderung: 03. März 2008, 23:52:55 von Laurentus »

Offline kolvar

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Re: Gedanken zur Weihnachtsgeschichte
« Antwort #3 am: 04. März 2008, 08:58:43 »
Lustig, ich habe wirklich vermutet, dass du darauf antworten würdest:
OK. ich gebe zu, dass ich es überspitzt geschrieben habe, aber ich denke nicht, dass es etwas an meinem Punkt ändert.
Du hast recht mit dem Bewußtsein um Geburt und dem Mangel an Bewußtsein um die biologischen Vorgänge. Dennoch gab es immer Menschen, die Schwangeren halfen, ihre Kinder auf die Welt zu bringen, die in diesem Fall gewiss eine Hilfe waren. Dass es auch heutzutage ohne geht stimmt in vielen Fällen, aber auch nicht in allen, was dennoch nichts daran ändert, dass die meisten, unbetreute Geburten eher als nicht so das schöne Erlebnis in Erinnerung bleiben.
Wegen des "Nicht geschrieben": Ich könnte es jetzt an keiner Stelle festmachen, aber mir ist so, als wenn es hieße, dass die Hirten die ersten gewesen wären, die zum Kind gekommen seien, aber nagel mich nicht darauf fest.
Zum Beruf der Hebamme: es scheint ihn nachweißlich seit ca. 100 nChr. zu geben. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es ihn früher gab (im westlichen Kulturkreis), ist recht groß http://de.wikipedia.org/wiki/Hebamme#Geschichte.
Zu den Hirten: Wie ich schon schrieb, ist die ganze Sache hübsch mystisch und allegorisch.

Beim Stamm Davids kann man sich jetzt über Semantik streiten, aber vermutlich würde ich da den Kürzeren ziehen, da ich keinen Bock habe, den genauen Wortlaut rauszusuchen  ;D. Das war einfach schon immer eine Sache, mit der ich Probleme hatte (auch als ich noch nicht zynisch und besserwisserisch war). Ich finde es trotzdem irgendwie gemogelt.

Zu deiner persönlichen Vorstellung biblischer Begebenheiten:
Lass uns da mal persönlich drüber sprechen, finde ich nämlich maßlos spannend. Im Forum kommt es bei solchen Sachen immer zu Mißverständnissen.
Nur so viel, dass ich das Kinder-Zitat immer eher auf die Reinheit und Gottesfurcht gemünzt, weniger auf den Wunderglauben begriffen habe.

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