Skeyfare

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Skeyfare » Andere Welten » Kalandria » Die Rückkehr des Königs » Besuch bei Manahaar

Autor Thema: Besuch bei Manahaar  (Gelesen 11301 mal)

Offline Dario

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Besuch bei Manahaar
« am: 15. Oktober 2009, 17:14:03 »
In den Wochen nach der Befreiung Burg Hohenhorsts haben die Adlertaler und ihre Verbündeten alle Hände voll zu tun, die Besetzer weiter zurückzudrängen, und auch Dario trägt seinen Teil bei, beflügelt von den bisherigen Erfolgen und der Zuversicht, dass die Götter ihren Kampf unterstützen. Als die Schlacht um Lakenfurt bevorsteht, zieht er sich allerdings zurück und schließt sich statt dessen einem kleinen Trupp an, der im Westen in den Wäldern lebt und von dort kleinere Grüppchen kaliniarischer Soldaten aufzuspürt und ausschaltet. Er will lieber in der Wildnis kämpfen als in den engen Gassen der Stadt, und er hat außerdem wenig Lust, duch einen Zufall vielleicht noch seinen Eltern über den Weg zu laufen.

Als er mit seinen Gefährten in der Nähe von Manahaars Haus vorbeikommt, beschließt er, sich  von ihnen zu trennen, um bei seinem alten Lehrmeister nach dem Rechten zu sehen. Er weiß, dass es töricht ist, sich um Manahaar Sorgen zu machen, der in der Lage sein dürfte, jeder Gefahr weit besser zu begegnen als Dario; trotzdem drängt es ihn, sich zu vergewissern, ob alles in Ordnung ist.

Es dämmert schon, als er sich von hinten dem Haus nähert, und an diesem regnerischen Tag ist es sowieso nicht so recht hell geworden. So kann Dario gerade noch verhindern, in einen kleinen Kräutergarten zu trampeln, der früher nicht dort gewesen ist, und während er um das Beet herumtänzelt, stolpert er in der Dunkelheit fast über ein Grabkreuz. Eine Gänsehaut überzieht ihn, als er sich an die Ereignisse erinnert, und schnell hastet er zur Vordertür.

Durch das Fenster fällt ein warmer Lichtschein nach draußen, und ein bisschen hat Dario das Gefühl, nach Hause zu kommen. Er klopft an und tritt ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Manahaar scheint wenig überrascht, ihn zu sehen, er hat wohl schon gewusst, wer zu Besuch kommt. Seit Dario die Kräfte des Aserts kennengelernt hat, fragt er sich auch nicht mehr, wie sein Meister dieses Kunststück zustande bringt. Die Begrüßung ist herzlich, aber wie es ihre Art ist, machen beide wenig Aufhebens darum.

Dario kramt aus seinem Beutel ein paar Lebensmittel hervor, die er am Vortag einem Soldaten abgenommen hatte und verstaut sie in der Vorratskammer. Dann macht er sich daran, das Abendessen vorzubereiten, während er mit Manahaar Neuigkeiten austauscht. Später sitzen die beiden vor dem Kamin und schauen schweigend in die Flammen. Dario überlegt, ob er Manahaar erzählen soll, was ihm alles widerfahren ist, seit er das letzte Mal im Adlertal gewesen ist. Mycene, Hassan, der Verlust Lunas, Laurentus Befreiung aus den Orkbergen, die Auseinandersetzungen mit seinen Freunden – das alles geht ihm durch den Kopf,  und er wundert sich selbst, was in dieser kurzen Zeit alles passiert war. Schließlich schreckt ihn genau das ab, denn er ist  nun einmal kein Mensch der vielen Worte.

Auch die Geschehnisse beim Saatfest geistern ihm durch den Kopf, und obwohl er nicht wirklich durchschaut, was genau an diesem Tag geschehen ist, hat er nicht das Bedürfnis, sich alles haarklein erklären zu lassen. Vielleicht versteht er nicht alles so genau, aber er hat gespürt, dass die Götter ihm und seinen Freunden beistehen, und das ist für ihn genug. Nur eine Frage gibt es, die ihm unter den Nägeln brennt, und als er sieht, dass Manahaar ihn beobachtet und sich schon über seine Grübelei amüsiert, rückt er damit heraus. „Wieso hast du mir nie von meiner Herkunft erzählt, wenn du es gewusst hast?“
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Offline Laurentus

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #1 am: 16. Oktober 2009, 17:12:58 »
Dario spürt in diesen Wochen immer stärker, dass Manahar wieder zurückkommt/kommen wird. Aber er weiß auch, dass es noch müßig ist, bei seinem Haus vorbeizuschauen, bevor die Zeit reif dafür ist. Und so dauert es tatsächlich, bis die letzten kaliniarischen Truppen das Land hastig verlassen haben - die Bauern haben längst begonnen, die Felder zu bestellen, und der Frühling herrscht mit all seinem Werden und seiner Lebensfülle - dass Dario endlich, nach diesen vielen Wochen harter Arbeit für sein Land, Manahars Präsenz ganz klar und wirklich spürt.

Bei der Ankunft in dem Waldhaus seines alten Lehrmeisters findet die Begrüssung ganz so freundschaftlich und vertraut statt, wie Dario sie sich ausgemalt hat. Allerdings gibt es eine kleine Abweichung, der Manahar hält seine alte, wettergegerbte Hand offen hin, und Dario weiß sogleich, was mit dieser Geste gemeint ist. Nur mit leichtem Zögern nimmt er den Asert aus seiner Tasche, fühlt noch einmal dessen Macht, aber auch den unwiederstehlichen Zug, den der Stein in die Richtung des alten Sorcerers ausübt, und platziert ihn behutsam in die dargebotene Handfläche. Kurz strahlt der Stein leuchtend hell auf, dann verblasst das Licht langsam, aber auch der Asert selbst löst sich auf und ist in wenigen Augenblicken vollständig verschwunden. Dario hat den Eindruck, das er noch ein schwaches Nachleuchten unter der Haut Manahars wahrnimmt, das allmählich von der hand den Arm hinaufwandert und dann den ganzen Mann erfüllt. Doch dies Phenomen ist sehr schwach, vielleicht auch nur eine Einbildung. Was allerdings definitiv wahrnehmbar ist, ist ein gesteigertes Gefühl der Präsenz in Manahar, als wäre er jetzt erst wirklich endgültig aus seinem langen Winterschlaf erwacht. Er lächelt und nicht zufrieden.

Später sitzen die beiden dann zusammen auf der schmalen Holzbank vor der Hütte und beobachten das auftauchen der Sterne. Und auch Manahar lässt sich Zeit, bevor er die Frage des jungen Zauberers beantwortet.

"Es gibt Dinge, in die solte man sich einfach nicht einmischen, auch wenn man die Kenntnis davon hat. Du hast selbst den Asert getragen, und weißt, wieviel man durch seine Macht erfahren kann. Wenn ich allem nachginge, was ich ich so in Erfahrung bringe, käme ich zu nichts mehr. Ja, deine Herkunft ist nicht irgendeine beliebige Sache, das gebe ich zu. Aber es war etwas, von dem es mir wichtig erschien, dass du es selbst zu gegebener Zeit herausfindest. Mir schien keine Gefahr für dich oder andere davon auszugehen, dass du es nicht wusstest, und so habe ich es dabei belassen. Wie fühlst du dich jetzt, da du dich dem Mond geöffnet hast?"

Offline Dario

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #2 am: 16. Oktober 2009, 22:10:43 »
„Befreit“, antwortet Dario ohne zu zögern. „Erleichtert, nicht mehr dagegen ankämpfen zu müssen. Erleuchtet, weil plötzlich alles einen Sinn ergibt. Unglaublich töricht, dass ich es nicht schon viel früher gesehen habe. Aber mit der Erkenntnis, dass ich nicht gerade ein Genie bin, kann ich gut leben. Alles in allem: fantastisch.“

Dann denkt er doch einen Moment nach, bevor er weiterspricht. „Wahrscheinlich sollte ich kritischer sein und mir Sorgen machen, welche Probleme meine wölfische Natur mit sich bringt.  Für mich, und viel schlimmer: wahrscheinlich auch für meine Kinder. Vielleicht ist es egoistisch, aber im Augenblick kann ich einfach nicht anders - ich genieße es so sehr, im Einklang mit der Natur zu sein, und zum ersten Mal auch mit mir selbst.“ Seine Augen leuchten auf wie bei einem kleinen Kind, das gerade eine wunderbare Überraschung entdeckt hat. Schnell geht dieser Eindruck aber vorbei, und trotz aller Vertrautheit wirft er nun einen scheuen Seitenblick auf seinen Mentor.
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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #3 am: 27. Oktober 2009, 08:28:49 »
Der Alte lächelt, milde, wissend, zustimmend.

"Mein Dario. Du bist wirklich gewachsen, mehr als du vielleicht glaubst. Du kannst dir selbst mehr vertrauen, als du dir zugestehen willst. Du wirst auch merken, wie du mit Darmisch umgehen kannst. Er ist auch nur ein Kind, wie wir alle. Allerdings ein nicht ungefährliches Kind. Lerne von ihm, was du brauchst, er wird dir gerne helfen. Aber pass auf, dass du dich nicht auf Dinge verpflichtest, die du nicht tun willst. Denn ich sehe, dass dir noch große Aufgaben bevorstehen, zu denen du alle Freiheit brauchst."

Offline Dario

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #4 am: 27. Oktober 2009, 21:10:59 »
„Ist mir auch schon aufgefallen“, erwidert Dario mit einem gequälten Lächeln. „Für diese Freiheit  habe ich die Gelegenheit verstreichen lassen, meine Familie wiederzubekommen.“ Plötzlich schlägt er die Hände vors Gesicht und flüstert. „Ich muss komplett verrückt geworden sein!“ Er lehnt sich zurück und lässt Kopf und Schultern an der Wand der Hütte ruhen. „Weißt du noch, als du mich damals als deinen Schüler aufgenommen hast? Du hast mich gefragt, was meine Ziele sind. Alles, was ich wollte, war mit Ariane ins Reine zu kommen und wieder mit ihr und Shatari zusammen zu leben. Die ganze Zeit habe ich mich an diese Hoffnung geklammert.“

Er verstummt und schaut nachdenklich in den Nachthimmel. „Jetzt kann ich mich fragen, ob ich jahrelang meine Zeit damit verschwendet habe, einem albernen  Traum nachzujagen, oder ob ich neulich die Chance auf mein Lebensglück einfach so vertan habe.“ Er scheint nicht wirklich eine Antwort von Manahaar zu erwarten, und nach einer Weile kommt er zu dem Schluss. „Ist wahrscheinlich auch egal, es ändert ohnehin nichts. Es funktioniert einfach nicht.“

Nervös durchsucht er seine Taschen, ohne Erfolg. „Hast du etwas zu rauchen da?“
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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #5 am: 28. Oktober 2009, 07:58:26 »
"Ah, das hätte ich ja fast vergessen. Es scheint mir eine kleine Ewigkeit, seit ich zuletzt mein Pfeifchen gefüllt habe. Kannst du einem alten Mann einen Gefallen tun und einmal in dem Regal rechts an der Wand nachsehen. Dort müsste meine Pfeife und ein Beutelchen mit einem recht feinen, wenn auch vielleicht nicht mehr ganz frischen Schnitt liegen."

Dario findet alles, wie beschrieben. Der Tabak ist auch noch erstaunlich gut, wenn er denn wirklich alt sein sollte. Nachdem ihr euch beide bedient habt und die Pfeifen mit einigen kräftigen Zügen in Gang habt, vergehen noch einige entspannte Momente, bevor Manahar nochmal das Wort ergreift.

"Dario mein Freund, du bist ja schon längst meiner Fürsorge entwachsen, und spätestens jetzt meines gleichen, nicht mehr ein Schüler. Dennoch, mein lieber Freund, falls du in Zukunft meinen Rat oder meine Hilfe brauchst, zögere nicht, dich an mich zu wenden. Unter diesen Sternen wird man uns brauchen, mehr denn je." Dabei zeigt er mit dem Stiel seiner Pfeife nach oben, zum derzeit dominierenden Sternbild der Könige. Der Schwertträger ist wieder als kleiner Punkt an den Rand dieser Konstellation verschwunden, in der Mitte dominieren andere Sterne.

Offline Dario

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #6 am: 28. Oktober 2009, 21:00:37 »
Dario nickt zustimmend, deutet dann mit dem Pfeifenstiel zu den Sternen. „Ich weiß zwar nicht genau, was dort oben vor sich geht, und auch nicht was uns erwartet, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass wir die Hilfe all unserer Freunde und Verbündeten noch dringend brauchen werden. Ich weiß dein Angebot also sehr zu schätzen, und ich bin sicher, Rakon empfindet ebenso.“

Er kratzt sich den Bart und räuspert sich umständlich, bevor  er schließlich mit einem schelmisch Lächeln sagt. „Wenn du so betonst, dass ich inzwischen auf eigenen Füßen stehe, dann bestimmt, weil du froh bist, mich vom Hals zu haben und dir nicht mehr über meine Eskapaden die Haare raufen zu müssen.“ Aber schnell wird er ernster und schaut Manahaar eindringlich an. „Aber auch wenn ich nun für mich einen Weg gefunden habe, der mir richtig scheint, würde ich dich trotzdem gern in einer Sache um Rat fragen. Nicht zu irgendwelchen weltbewegenden Missionen, dem Schwertträger oder der dämonischen Bedrohung - nur für mich selbst, oder besser gesagt für meine Kinder.

Du warst der Meinung, ich sollte meine Herkunft lieber selbst herausfinden, und ich schätze, damit hast du wohl das richtige getan. Aber jetzt bin ich es, der dieselbe Entscheidung für Findus und Shatari treffen muss, und ich bin unschlüssig, was für sie das Beste wäre. Es kommt mir falsch vor, ihnen zu verschweigen, woher sie stammen und ihnen die Möglichkeit zu nehmen, ihre wahre Natur zu entdecken. Es kommt mir vor, als würde ich sie um ihr Erbe betrügen. Andererseits habe ich auch Angst davor, ihnen schon in diesem jungen Alter einen Weg zu eröffnen, von dem sie nicht wieder abweichen können, wenn sie ihn einmal beschritten haben. Denn ich glaube nicht, dass ich mich dem Mond je wieder verschließen könnte.“

Fast flehend fragt er: „Kannst du mir einen Rat geben? Wenigstens in dieser einen Sache muss ich den Kindern zur Seite stehen, und das darf ich einfach nicht vermasseln.“
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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #7 am: 30. Oktober 2009, 15:01:47 »
Manahar zögert eine ganze Weile, so dass Dario sich schon fragt, ob er überhaupt eine Antwort geben wird. Doch dann spricht er doch.

"Da wir überhaupt nicht vorhersehen können, wie sich deine Kinder entwickeln werden, gleich ob mit oder ohne die Information über ihre Abstammung, können wir auch keinen eindeutigen Schlüsse ziehen. Das macht es uns einfacher, denn wir müssen nicht so viel nachdenken. [er lächelt aufmunternd zu Dario rüber] Wir wissen ja nicht einmal, ob das Blut der Wölfe überhaupt noch stark genug in ihnen ist, um zur Wirkung zu kommen. Der Unterschied zwischen dir damals, als du zu mir kamst und ich deine Gabe erkannte, und deinen Kindern heute ist einfach der, dass du erwachsen warst, schon viel Erfahrung besaßest und ich es für deine Entwicklung als Zauberer für gut befand, dass du die Entdeckung selber machst. Du warst ja bis dahin schon irgendwie durchs Leben gekommen. Bei deinen Kindern wissen wir aber nicht, ob ihnen mit der Gabe etwas zustößt, oder ob es sie überhaupt nicht betreffen wird. Aber da sie noch Kinder sind, und wir auch nicht wissen, wie deine Frau mit den Informationen, die du ihr gegeben hast, umgehen wird, halte ich es doch für besser, wenn du dich der Sache frühzeitig annimmst. Geh zu ihnen und sprich mit ihnen. Dies ist mein Rat."

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #8 am: 31. Oktober 2009, 13:19:43 »
„Und ich dachte, du hast mir damals nichts verraten, weil du mir nicht zugetraut hast, damit klarzukommen.“ Ein bisschen verwundert schaut Dario zu Manahaar herüber. Dann zuckt er die Schultern. „Wie auch immer, vielleicht sollte ich den Göttern danken, dass ich erst jetzt alles erfahren habe. Wer weiß, wie ich noch vor ein paar Jahren mit der ganzen Sache umgegangen wäre.“ Grüblerisch blickt er in die Dunkelheit und sagt nach kurzem Schweigen: „Trotzdem denke ich manchmal darüber nach, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich es schon als Kind gewusst hätte. Oder wenn meine Eltern sich wenigstens ein bisschen mehr Mühe gemacht hätten, meine dunkle Seite zu verstehen.“ Er malt bei dem Begriff Gänsefüsschen in die Luft.

Einen Augenblick hängt er diesem Gedanken noch nach, dann schaut er seinen stummen Gesprächspartner amüsiert an. „Na, was ist? Willst du mir nicht sagen, wie albern es ist, über etwas zu grübeln, das nicht mehr zu ändern sind, und dass ich meine Kraft lieber auf die Probleme richten sollte, die vor mir liegen?“ Als er auch darauf keine Antwort bekommt, muss er grinsen. „Ich hasse es, wenn du einfach so lange wartest, bis ich selbst meine Fehler entdecke.“

Ihm scheint überhaupt nicht aufzufallen, dass er einen wahren Monolog führt, und wie redselig er an diesem Abend ist. „Aber so ist es: Schwamm über meine Vergangenheit, jetzt ist nur wichtig, dass ich den Kindern zur Seite stehe. Ich glaub auch, es ist das beste, mit ihnen zu reden. Wenn ich auch nicht recht weiß, wie ich das anfangen soll. Stell dir nur mal vor: da kommt ein Vater  in ihr Leben gepoltert, den sie nie gekannt haben, von dem ihre Mutter bestimmt wenig Gutes berichtet hat, und der aussieht wie ein Waldschrat. Der erzählt ihnen dann, er stammt von Werwölfen ab und heult den Mond an, und dass sie das vielleicht auch geerbt haben.“ Er schüttelt über diese absurde Szene den Kopf und scheint hin- und hergerissen, ob er sie komisch finden soll oder nicht. „Verrückt.“ meint er schließlich. „Und das, wo ich sowieso kein Talent dafür habe, die richtigen Worte zu finden…Verrückt. “ Erst jetzt fällt ihm auf, dass er die Unterhaltung allein bestreitet. „Naja, was hilft’s? Ich werd das schon irgendwie machen“, schließt er das Thema ab. Ganz offen meint er. „Und, bereust du schon, dass ich zu Besuch gekommen bin und mit meinem endlosen Geplapper deine Ruhe störe? Oder bist du vielleicht ganz froh, mal wieder menschliche Stimmen zu hören? Ich meine, seit Mahona und Kabora nicht mehr hier sind…? Besorgt schaut er den alten Mann von der Seite an.
« Letzte Änderung: 01. November 2009, 14:33:36 von Dario »
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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #9 am: 01. November 2009, 09:20:05 »
Manahar wirkt immer amüsierter, je weiter Dario´s Vortrag voranschreitet, nickt auch zustimmend, besonders bei der Erkenntnis, dass er wartet, bis Dario sich selbst erkennt ....
Dann wird er aber abrupt ernst, als Dario auf die beiden Zauberinnen zu sprechen kommt.

"Ja Dario, ich fühle mich sehr alleine, seit die beiden von uns gegangen sind. Ich hatte schon gedacht in Mahona meine Nachfolgerin gefunden zu haben. Und da muss ich erst wieder neu lernen, dass man an nichts hier in dieser Welt wirklich festhalten kann ..... Aber schön, dass du jetzt hier bist, und ich genieße dein Geplapper mehr, als du dir denken kannst."

Er lehnt sich wieder zurück und pafft mit doch recht zufriedenem Gesichtsausdruck weiter.

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #10 am: 01. November 2009, 15:20:01 »
„Naja, wir wollen doch hoffen, dass du noch viele Jahre gesund und munter bist. Bestimmt kannst du in dieser Zeit einen deiner anderen Schüler zu deinem Nachfolger aufbauen.“ Dario lächelt ihm aufmunternd zu und gibt sich Mühe, Zuversicht auszustrahlen.

„Auch wenn ich zugeben muss, dass es eine gewaltige Aufgabe ist, die auf ihn wartet.“ Gedankenverloren greift er in die Tasche, in der er immer den Asert verwahrt hatte, und er braucht einen Moment um sich zu erinnern, warum seine Finger ins Leere tasten. „Das war ein seltsames Gefühl, als ich diese Rolle übernehmen musste...oder wenigstens einen kleinen Teil davon. Es war überwältigend, wie intensiv ich die Natur erleben durfte, und wie eng ich mit dem Adlertal verbunden war. Aber trotzdem: je mehr ich begriff, was mit mir geschah, desto größer wurde meine Angst, dass du vielleicht nicht wiederkommen könntest und ich plötzlich diese Position einnehmen muss.“ Ein bisschen beschämt über dieses Eingeständnis blickt er zu Boden und spricht sehr leise weiter. „Einmal, hatte ich diesen Traum. Darin war ich im Wald unterwegs, und ich hatte das Gefühl, ich wäre du. Aber gleichzeitig auch ich selbst. Und ich war älter... Als wärst du nicht mehr da, und ich müsste mich um das Adlertal kümmern.“ Ängstlich fragt er: „Das war doch keine Vorhersage, oder?“
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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #11 am: 03. November 2009, 11:32:52 »
Der Alte lacht leise in sich hinein.

"Es muss keine Vision kommender Ereignisse gewesen sein, nein. Könnte aber doch auch so kommen, wenn ich es recht bedenke. Wäre ja nicht die schlechteste Alternative für das Tal, mein Freund. Aber keine Angst, ich werde mich um einen Nachfolger kümmern, und ich denke, dass mir noch genug Zeit bleibt, diesen vorzubereiten. Es ist jedoch gut zu wissen, dass im Notfall ..... Was ich aber vorhin sagen wollte ist einfach, dass es wirklich gut tut, mit jemandem zu reden, der versteht worum es bei meiner Arbeit geht. Der die Dinge auch aus meiner Sicht betrachten kann. Das hatte ich in Mahona früher, und deshalb vermisse ich sie auch so sehr."

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #12 am: 03. November 2009, 14:59:43 »
„Kann ich mir vorstellen. Früher hatte ich mir nie viele Gedanken gemacht, welche Verantwortung du trägst, auch wenn ich wusste, dass du eine große Macht ausübst. Aber erst jetzt habe ich erfahren, was für ein Gefühl es ist, wenn so viel von jeder Entscheidung abhängt. Wie groß der Druck ist, wenn man sich bewusst ist, welche Folgen ein Fehler haben kann. Mir reichen schon die Aufgaben, die jetzt noch vor mir liegen, um mir den Schlaf zu rauben. Ich habe Hochachtung vor jedem, der sich berufen fühlt, in deine Fußstapfen zu treten, aber ganz ehrlich: ich überlasse ihm gern das Feld.“

Nachdem er es ausgesprochen hat, beeilt er sich aber, seine Worte ein wenig abzumildern. „Du darfst mich nicht falsch verstehen: Das Vertrauen, das du in mich setzt, weiß ich schon  zu schätzen, wirklich. Und du sollst wissen, dass ich jederzeit zur Stelle bin, wenn du mich brauchst.“ Dann fällt ihm noch etwas ein, und er murmelt in seinen Bart. „Naja, das weißt du natürlich, deshalb  bin ich ja gerade ins Adlertal gekommen.“

Plötzlich schnauft er wie ein altes Walross. „Das wird noch eine Menge Arbeit werden, den Schlamassel zu beseitigen, den die Kaliniarer hier angerichtet haben. Da habt ihr bestimmt alle Hände voll zu tun. Und das, wo wir nicht mal mehr einen Thain haben, der die Zügel in der Hand hält.“ Er schüttelt traurig den Kopf. „Armer Micho.“

Schon kommt ihm der nächste Gedanke in den Kopf. „Ich hab bis heute nicht begriffen, was die Dämonen überhaupt hier wollten. Aber es gefällt mir nicht, dass sie sich so viel Mühe gemacht haben, uns zu überfallen. Es muss hier etwas geben, was für sie wichtig ist, und das heißt, sie kommen vielleicht wieder. Schon jetzt konnten wir sie nur mit Mühe und Not vertreiben, weil sie nicht mit so viel Widerstand gerechnet hatten, aber das nächste Mal… Hast du eine Ahnung, was sie hierher gezogen hat?“
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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #13 am: 04. November 2009, 07:48:52 »
Wieder dauert es ein wenig, bis Manahar antwortet [paff, paff].

"Ich habe es nie als Druck oder Belastung empfunden, dem Land auf die Art zu dienen, wie ich es tue. Ich kann mir aber vorstellen, dass wenn alles auf einmal auf einen einstürmt, man sich etwas überrumpelt fühlt. Wie auch immer, du hast es gut gemacht. Und du musst dir jetzt keine Sorgen mehr um das Tal machen, vorläufig. Was die Kalianiarer anbelangt, so kann ich auch nur Vermutungen anstellen, und du weißt, dass ich das nicht gern tue. Ich kann dir allerdings mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass das ganze im Zusammenhang mit unserer astronomischen Zeit steht, mit der Dokade der Könige. Da wird sich etliches verändern hier auf Kalandria, denn überall werden noch einmal alte Herrscher an Bedeutung gewinnen, neue hinzukommen, und alles muss sich neu ordnen und finden. In dieser Hinsicht solltest du dein Handeln immer überdenken, versuchen, es in den Gesamtzusammenhängen zu sehen. Wie diese genau aussehen werden, das wird uns erst der Lauf der Ereignisse zeigen. Mehr kann ich dir dauz auch nicht sagen."

Und jetzt geht sein Blick wieder prüfend über Dario, freundlich aber intensiv.

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Re:Besuch bei Manahaar
« Antwort #14 am: 05. November 2009, 20:27:16 »
Besonders glücklich sieht Dario nicht aus, als Manahaar ihm diese großen Veränderungen ankündigt, aber er hört sich aufmerksam den Ratschlag an, seine Entscheidungen im Einklang mit den Ereignissen zu betrachten und bestätigt dies mit einem ernsten Nicken.

Dann wechselt er das Thema und steuert wieder auf etwas bekannteres Terrain zu. "Ich habe meinem Onkel versprochen, dass ich ihm bei der wilden Jagd zur Seite stehen  werde. Das war seine Bedingung, dafür dass er mir beibringt, mit meinem Erbe umzugehen. Vielleicht habe ich mich zu leichtfertig  darauf eingelassen, aber damals erschien es mir nicht allzu bedenklich. Ich meine, er ist ein Graf, wie die anderen auch, und ich wüsste nicht, warum er einen schlechterer Thain abgeben sollte." Die letzten Worte spricht er fast aggressiv, als wollte er Manahaar zum Widerspruch provozieren, aber genauso rasch wie er sich ereifert hat, rudert er schon wieder zurück. "Auch wenn er immer seine eigenen Interessen  durchsetzt, und in der Wahl seiner Mittel wohl nicht besonders zimperlich ist." Zweifelnd fragt er. "Meinst du, ich habe einen Fehler gemacht?"

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