[Aimee]

Aimee schiebt Arminius lachend beiseite, nimmt schnell noch einen Schluck und spinnt aus vielen einzelnen Bruchstücken ihrer letzten Abenteuer eine Geschichte mit überraschenden Wendungen, vorhersehbaren Fallen und einigen Slapstickeinlagen.
Aimee nutzt ihre alte Fähigkeit als Journalistein um Neuigkeiten gut zu verkaufen; sie arbeitet mit Stimme, mit Pausen und überraschenden Gesten, achtet aber sehr darauf, keine zusammenhängenden Passagen aus einem Abenteuer preiszugeben:

Das gestohlene Auto, das über die Grenze gebracht werden sollte, wobei die beiden Diebe unschwer als Aimee und Arminius zu erkennen sind, gehörte leider einem Bühnenmagier, der sich, als die beiden auf der Raststätte sein Equipment durchsuchten, als ein echter Magier herausstellte. Aus dem berühmten Zaubererhut sprang nämlich ein Eichhörnchen, beschimpfte die beiden aufs Übelste, schnappte sich den Autoschlüssel und entkam in einen Ahorn. Wodurch die weitere Flucht vor den Ogern, die der Magier engagiert hatte, ins Stocken geriet und nur ein beherzter Fluch sie rettete. Der Fluch, zufällig ausgesprochen mit dem seltsam knisternden Buch des Magiers unter dem Arm, verwandelte einen der Oger in eine Nonne, der sofort begann, den anderen "Dämon" mit Weihwasser zu bespritzen, wobei es sich um den Sprit aus dem Ersatzkanister handelte.
Das letzte Bild, das Aimee heraufbeschwor war eine brennende Raststätte, ein Eichhörnchen hinter dem Lenkrad, das den Wagen wieder gen Süden steuerte und zwei Changelings, die per Anhalter gen SD unterwegs waren.

Sie deutet auf ihre Füße: "Die sind noch immer wund von der Wanderung, denn wer nimmt schon zwei seltsam aussehende Vögel mit? Der Blick daheim in den Spiegel offenbarte uns nämlich, dass der Fluch uns in 2 Flamingos verwandelt hatte. Es dauerte Tage, ehe ich keine rosa Federn mehr im Bett fand."

[Makkharezz]

Aimee hat ihr Publikum voll im Griff, und sie wird immer wieder durch die Reaktionen ihrer Zuhörer angefeuert, wenn sie überraschende Wendungen mit Zwischenrufen kommentieren, an den spannenden Stellen die Luft anhalten und dann in Lachen ausbrechen, sobald sich die Situation auflöst. 

Am Ende wird die wüste Story mit Jubel und Klatschen honoriert. Als sich alle wieder beruhigt haben, sind sie erst einmal wie erschlagen von dem Eindruck der phantasievollen Geschichte. Kurz zerstreut sich die Runde, als einige zur Toilette gehen oder Nachschub an Getränke holen wollen, doch die nächste Erzählerin meldet sich schon zu Wort. „Na, dann sehr mal zu, dass ihr euch bereit macht, denn ich habe auch eine Geschichte parat, da wird euch der Mund offenstehen.“

„Da offenbaren sich ja ganz neue Talente“, meint  Arminius, der sichtlich stolz auf seine gewitzte Begleiterin ist. Sanft beginnt er, Aimees Nacken zu massieren, hält aber inne und schaut stirnrunzelnd in den Halbschatten unter den Balkonen. „Sieht aus, als wenn nicht alle nur zum Feiern hier sind“, bemerkt er nachdenklich.

Als Aimee seinem Blick folgt, sieht sie Lucano auf einer Tischkante sitzen, im Gespräch mit einem kleinen untersetzten Changeling in einem altmodischen braunen Tweed-Anzug. Passend zu einer wildwüchsigen karottenroten Haarpracht trägt der Verlorene einen beeindruckenden Vollbart und ist auch auf den Händen und seinen nackten Füßen stark behaart. Beide Gesprächspartner haben eine angespannte Körperhaltung, ihre Mienen sind ernst, und die Gesten, mit denen sie ihre Argumente unterstreichen, wirken hart, fast  aggressiv. 

Arminius reißt seinen Blick los, zieht Aimee zu sich heran und küsst sie am Nacken. „Zum Glück sind wir schlauer.“

[Aimee]

Aimee ist hin- und hergerissen zwischen der Vorfreude auf die nächste Geschichte, Arminius' Nähe und der Neugierde, wer sich hinter Lucanos' Gesprächspartner verbirgt.
Schließlich beisst sie Arminius kurz in die Hand, rappelt sich hoch und meint: "Ich nutze die Pause auch mal um mich zu erleichtern, kannst du mal versuchen für die nächste Runde noch etwas Whiskey beim Barmann locker zu machen?"

Sie macht sich auf den Weg, steuert jedoch einen der hinteren Waschräume an, so dass sie in der Nähe von Lucanos' Tisch vorbeikommt und mit einem Seitenblick versucht sie Blickkontakt mit dem König aufzunehmen.

[Makkharezz]

Die beiden haben ihre Stimmen gesenkt, aber der rothaarige Changeling ereifert sich ziemlich und wird dabei ein wenig lauter, so dass Aimee beim Näherkommen einen Satzfetzen aufschnappen kann: „…aber ich muss es versuchen, und wenn du Dhara je geliebt hast, hilfst du mir dabei!“
 
Lucano macht eine beschwichtigende Geste und setzt schon zu einer Antwort an, doch in diesem Augenblick fängt er Aimees Blick auf und verstummt. Es ist offensichtlich, dass er abwarten will, bis sie außer Hörweite ist.

[Aimee]

Sie nickt ihm rasch zu als habe sie ihn eben erst so richtig erkannt und begibt sich dann zunächst zum Waschraum, sie kann es jedoch nicht lassen auf dem Rückweg noch einmal an dem Tisch der beiden vorbeizugehen ehe sie zu Arminius zurückkehrt.

[Makkharezz]

Auf dem Rückweg sind die beiden so in ihr Gespräch vertieft, dass sie Aimee nicht bemerken, selbst als sie kurz im Schatten eines Pfeilers stehenbleibt. Sie erkennt schnell, dass hier gerade ein Deal ausgehandelt wird.

Lucano hat sich hoch aufgerichtet und die Arme vor der Brust verschränkt. „Ein Jahr und ein Tag, wie es Tradition ist.“ Nach der Miene des Rothaarigen zu urteilen, ist das eine Kröte, an der er schwer zu schlucken hat. „Also gut, dann aber eine Viertelmillion.“
„Zweihunderttausend“, entgegnet der König bestimmt und streckt die Hand aus. Der andere zögert nur eine Sekunde, dann schlägt er ein.

Vom Feuer aus winkt Arminius schon Aimee zu, sich zu beeilen, denn alle anderen haben sich inzwischen wieder eingefunden, und die nächste Geschichte soll erzählt werden.

[Aimee]

Aimee läßt sich neben Arminius nieder, doch das eben Gehörte beschäftigt sie so sehr, dass sie sich zu ihm hinüberbeugt und ins Ohr flüstert: "Was hat es mit der Tradition 'ein Jahr und ein Tag' auf sich? Und wieso bekommt man Geld dafür??"

[Makkharezz]

„Du hast noch nicht oft Verträge ausgehandelt, hm?“ fragt Arminius, und er ist ein wenig überrascht. Dann erklärt er: „Wenn man einen Gefallen erbittet und dafür eine Gegenleistung vereinbart, kann man das natürlich frei verhandeln, aber oft wird eine Leistung für ein Jahr und einen Tag vereinbart. Als wir zusammen Autos geklaut haben, zum Beispiel, habe ich das getan, weil ich mich Verena Rayon als Bodyguard verpflichtet hatte, auch für ein Jahr und einen Tag.“ Er zuckt die Schultern. „Es ist eine althergebrachte Sitte, und viele von uns fühlen sich sicherer dabei, den Traditionen zu folgen. Manch einer behauptet, die Magie des Schwurs würde dadurch noch verstärkt.“

Aimee kann sich gut vorstellen, was er meint. Als sie damals mit dem illegalen Autohandel ihre Schulden abarbeitete, war sie auch manches Mal versucht, sich aus ihrer Verpflichtung zu stehlen und den Job einfach hinzuschmeißen. Aber sobald sie nur daran dachte, fühlte sie sich unwohl. Es war wie ein Sog, der an ihr zerrte, bis sie schließlich nachgab und sich entschloss, die Abmachung einzuhalten. Sie fühlt sich an eine Reportage erinnert, für die sie einmal über Zwangsneurosen recherchiert hatte. An Leute, die keinen Tag überstanden, wenn sie sich nicht Dutzende Male die Hände wuschen, oder die sich nicht überwinden konnten, auf die Ritzen im Asphalt zu treten.

Ein ungeduldiges Räuspern reißt Aimee aus ihren Gedanken. Die Blaugelockte schaut jeden einzelnen in der Runde an, bevor sie mit gesenkter Stimme zu sprechen beginnt. „Meine Geschichte ist nicht nur unglaublich, sie ist auch so furchterregend, dass euch das Blut in den Adern gefrieren wird.... und jedes Wort ist wahr!“

[Aimee]

Aimee nickt nachdenklich, sie versucht noch die Informationen von Arminius mit dem eben Gehörten zu verknüpfen, doch ehe sie Arminius eine weitere Fragen stellt will sie zunächst der Geschichte der Blauhaarigen lauschen. Eine wahre Geschichte also, na, wir werden sehen!

[Makkharezz]

„Es ist in Chicago passiert, vor ungefähr 25 Jahren, auf einer Feier, genauso wie dieser hier. Es war keine Homecoming-Party, sondern das Frühlingsfest, aber die Changelings hatten sich für ihre Feier auch ein altes Theater ausgesucht, das kurz nach dem Bürgerkrieg gebaut worden war. Was sie nicht wussten, war was für ein grausames Verbrechen innerhalb dieser Mauern verübt worden war.“ Mit einem wissenden Lächeln schaut die Erzählerin in die Runde und nimmt erst einmal einen Schluck aus der Flasche, um ihre Zuhörer einen Moment zappeln zu lassen. „Ausgelassen feierten sie die ganze Nacht hindurch, doch in den frühen Morgenstunden, kurz bevor die Sonne aufging, begann ein rachsüchtiger Geist sein blutiges Werk“

Arminius blickt zum Himmel hinauf, der tatsächlich schon ein kleines bisschen heller wird und schon langsam den Sonnenaufgang ankündigt.

Es ist eine klassische Gruselgeschichte, und vermutlich ist sie als urbane Legende unter den Verlorenen bekannt, denn Aimee bemerkt an den Reaktionen zweier Zuhörer, dass sie scheinbar schon vorher wissen, was passieren wird. Die Erzählerin schmückt die Geschichte nicht besonders kunstvoll aus. Vielleicht weil ihr das nicht so liegt, vielleicht aber auch, um den Charm der kleinen Lagerfeuergeschichte zu erhalten.

Trotzdem kommt Spannung auf, einfach weil die Zuhörer sich auf die Geschichte einlassen, und weil sie so vertraut mit Ängsten sind, dass sie es genießen, sich in sicherer Atmosphäre absichtlich einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Als Blaulöckchen zuende erzählt hat, klatschen und lachen die anderen und stoßen auf das Wohl des mörderischen Geistes an.

[Aimee]

Aimee hat sich tüchtig gegruselt bei der Geschichte und klatscht begeistert und stößt mit Arminius und ihrem anderen Sitznachbarn an.

Dann erinnert sie sich jedoch wieder an den geheimnisvollen Rothaarigen und reckt den Hals um ihn in der kleiner werdenden Menge der Changelings wiederzufinden.

[Makkharezz]

Sie kann ihn nirgends entdecken, und Lucano steht inzwischen mit Ben Fleming zusammen, nun in besserer Laune, denn die beiden trinken zusammen und haben viel zu lachen.

Arminius reckt und streckt sich und gähnt herzhaft. „Was meinst du, wollen wir zu den anderen aufs Dach steigen, und bei einem Absacker die Aussicht genießen?“

[Aimee]

Aimee ist seltsam enttäuscht, doch als sie sich dessen bewusst wird muss sie über sich selbst lächeln, na, schon wieder auf der Suche nach einem Abenteuer?.
Also knufft sie den gähnenden Arminius in die Seite, steht auf und hält ihm eine Hand hin. "Na komm, dann werde ich dem alten Mann mal aufhelfen."

Sie spürt allerdings, dass die durchzechte Nacht nun auch bei ihr Spuren hinterläßt, sie schwankt etwas und muss kichern. "Hoffentlich finden wir den Aufgang. Und wo finden wir noch ein Bierchen, das wäre jetzt genau das Richtige."
Aimee blickt sich suchend um.

[Makkharezz]

Auch Arminius ist vom vielen Alkohol beschwipst und nimmt die Hilfe gern an. Dafür legt er Aimee schnell den Arm um die Hüfte, um sie zu stützen, als sie kurz danach strauchelt. Gemeinsam bahnen die beiden sich leicht schwankend ihren Weg zum Buffet. Eine Zapfanlage ist nirgends mehr zu sehen, aber Aimee findet noch ein paar Flaschen Bier, die Arminius in den Taschen seiner Jacke verstaut. Er entdeckt außerdem noch eine Tüte Salzbrezeln, die er wie eine Trophäe in die Höhe hält.
 
Zum Glück müssen sie nicht über eine Leiter klettern, sondern steigen über das Treppenhaus nach oben, kichernd, weil sie das eine oder andere Male eine Stufe verfehlen.  Oben finden sie einen Zugang zum Dach, der wahrscheinlich sonst nur von Hausmeistern und Handwerkern genutzt wird.
 
Als sie aus der Tür treten, scheint der Sternenhimmel ganz nah zu sein, aber auch vom Dach selbst funkeln ihnen Lichter entgegen, denn überall stehen Gläser mit Kerzen. Etwa vierzig oder fünfzig Verlorene haben es sich dazwischen schon gemütlich gemacht, teils mit Decken und Kissen, die sie von unten mitgebracht haben. Arminius entdeckt Joana und Phineas wieder, die ihm zuwinken und dann ein Stück zusammenrutschen, um auf ihrer Decke ein Plätzchen freimachen. Er revanchiert sich, indem er ein gefährlich aussehendes Jagdmesser aus der Tasche fischt, mit der stumpfen Seite die Kronkorken zweier Flaschen wegschnippt und sie ihnen herüberreicht. Die dritte Flasche bietet er Aimee an, bevor er die letzte für sich selbst öffnet.
 
Während unten auf der Bühne noch zwei Dutzend Changelings feiern, singen, tanzen und lachen, ist die Stimmung auf dem Dach ruhiger. Einige unterhalten sich mit gesenkten Stimmen, aber man hört eher einzelne Bemerkungen als angeregten Diskussionen, denn vieles scheint nach der langen Nacht bereits gesagt zu sein. Andere liegen auf dem Rücken und blicken schweigend in den Sternenhimmel hinauf oder sitzen aneinander gelehnt da und schauen verträumt in die Ferne.
 
Arminius legt sich lang und stützt sich auf einen Ellbogen, so dass er Aimee zugewandt ist. Obwohl sein Blick vom Alkohol schon etwas getrübt ist, gelingt ihm ein treuherziger Dackelblick, mit dem er zu ihr aufschaut. „Tolle Party“ brummt er leise und verfällt dann in ein zufriedenes Schweigen, als hätte er gerade eine große Weisheit von sich gegeben.

[Aimee]

Aimee kuschelt sich an Arminius, als sie den ersten Schluck aus der Flasche nimmt kommt ihr kurz der Gedanke, dass sie es morgen bereuen wird, aber unter dem letzten Leuchten des Sternenhimmels schmeckt es so gut wie kein Bier zuvor.

Sie muss einen Moment überlegen ehe Arminius' Worte zu ihr durchdringen, dann nickt sie langsam und bedeutungsschwer. Ein- oder zweimal setzt sie zu einer Antwort an, aber irgendwie kommt ihr alles banal vor gegenüber der Feststellung von Arminius.

Plötzlich überkommt sie die unbändige Lust aufzuspringen und ihre Freude in den Himmel hinauszuschreien, aber als sie den Kopf hebt beginnen die Sterne sich zu drehen und so begnügt sie sich damit, die Hand mit der Bierflasche anzuheben und zu nuscheln: "Was für eine Party . . ." Dann blinzelt sie glücklich in das Meer aus flackerndem Kerzenschimmer.