Skeyfare

02. Juli 2023, 15:09:46
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Skeyfare » Orfinlir » Law (Moderator: Chacota) » Melville: Alte Feinde

Autor Thema: Melville: Alte Feinde  (Gelesen 110357 mal)

Offline Makkharezz

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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #330 am: 11. Februar 2012, 15:57:33 »
Das hat Melville nicht erwartet, und seine Überraschung, dicht gefolgt von der Erleichterung, dass ihm keine Schuld an dem Streit mit Direto zugeschrieben wird, ergibt ein sehenswertes Mienenspiel. Das verändert sich im nächsten Moment auch noch einmal, denn plötzlich merkt er, dass sein Traum aus Kindertagen, bei der Parade in den Reihen der Stabritter zu reiten, ihn auch heute noch berührt. Auch wenn er bei seinem Ritterschlag zu der Überzeugung gekommen ist, dass sein geheimer Dienst für den Orden ihn ebenso mit Stolz erfüllt wie eine offizielle Mitgliedschaft, regt sich nun in ihm ein Verlangen nach Anerkennung und Ruhm, das er längst überwunden glaubte.

Fast wagt er nicht zu glauben, das der Vorschlag ernst gemeint war. „Ihr wollt meine Ordensmitgliedschaft offiziell machen?“ fragt er, wenig schlagfertig. „Ich verstehe nicht ganz. Wir haben uns über ein Jahr lang große Mühe gegeben, mir im Auge der Öffentlichkeit eine Identität zu verschaffen, mit der ich meine Verbindung zum Orden verschleiern kann. Ist diese Tarnung denn so durchsichtig geworden?“

Erst nachdem er das ausgesprochen hat, fällt ihm noch eine Frage ein, die ihm plötzlich viel wichtiger ist. „Hattet Ihr mich nicht genau deshalb angeworben, weil Ihr jemanden braucht, der eben nicht so sklavisch an ritterlichen Verhaltensweisen festhält? Der Aufgaben erledigen kann, die sich eben nur mit …anderen Methoden bewältigen lassen?“ Verwirrt sucht er in dem Blick seines Campeons nach Antworten.
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #331 am: 12. Februar 2012, 11:14:02 »
Prokion, der Melvilles Reaktion amüsiert - ja, anders kann man es nicht nennen - beobachtet hat, nickt. "Das ist richtig und Ihr habt viel erreicht in diesem Jahr. Aber die Feinde, die sich uns entgegenstellen werden immer vielfältiger und ich möchte meinen Rittern mehr Rückhalt durch den Orden bieten können. Den Vorteil, dass Ihr nicht im gleichen Maße an die Ordensregeln gebunden wart wie meine offiziellen Ritter wiegt die Nachteile nicht mehr auf. Oder sehr Ihr darin ein Problem?"

Er hebt die Hand zum Zeichen, das er noch nicht fertig ist. "Ausserdem gibt es mittlerweile zu viele Mitwisser, so dass Eure Verbindung zu mir nicht mehr so geheim ist wie ich es mir wünschen würde. Asim sua ele."
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #332 am: 12. Februar 2012, 16:34:49 »
Melville ist drauf und dran, einfach zu verneinen. Für einen Augenblick gelingt es ihm sich einzureden, dass er endlich den Weg gefunden hat, der ihm vorbestimmt ist, dass alles andere keine Rolle spielt. In einer Ecke des Zimmers sieht er den fünfzehnjährigen Melville vor sich, schlaksiger und weniger selbstbewusst als heute, und sein Blick sprüht vor Begeisterung und unverfälschtem Idealismus. „Ich fürchte schon…“ antwortet er und konzentriert sich auf den Baumeister, um nicht mitanzusehen zu müssen, wie der jüngere Melville voller Entsetzen bemerkt, dass sein älteres Ich im Begriff ist, seinen Traum zu zerstören.

„Ihr wisst, wie schwer es mir anfangs gefallen ist, gegen das Ethos zu handeln, wenn meine Mission das erforderte. Ihr selbst wart es, der mir gesagt hat, ich solle meinem Gewissen so viel zumuten, wie ich nur ertragen kann, um damit dem Orden zu dienen. Scheinbar habt ihr mit mir eine gute Wahl getroffen, denn ich habe Grenzen missachtet, die viele meiner Ordensbrüder niemals verletzen könnten. Das Problem ist nur, wenn man einmal eine solche Grenze überschritten hat, dann ist es beinahe unmöglich, wieder zurückzugehen.“

Als würde er nun auch eine solche Grenze übertreten, geht Melville einen Schritt auf seinen Campeon zu und fixiert ihn mit einem forschenden Blick. Auch wenn Prokion die Verwirrung seines Ritters erheitert hat, lässt der nun keinen Zweifel mehr daran, dass es ihm todernst ist. „Was ist, wenn mir das nicht gelingt? Wenn ich mich immer wieder dafür entscheide, weiter zu gehen, um dadurch einen Feind zu besiegen? Was könnte der Orden dann noch mit mir anfangen?“
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #333 am: 13. Februar 2012, 12:46:09 »
Sofort wird auch Prokion wieder ernst. "Ich habe Euren Bericht über den Kampf gegen Varron und die Chuor gehört. Glaubt Ihr, dass ein Außenstehender Euer rücksichtsloses Vorgehen gegen den Feind als befremdlich ansehen würde? Oder als gerechte und gerechtfertigte Ahndung ihres Angriffs? Ich denke, dass es weniger die Statuten des Ordens sind als immer noch die Euren, denen Ihr fürchtet nicht gerecht zu werden."

Er wartet einen Moment, dann fügt er hinzu. "Es gibt sehr viele Abteilungen in meinem Zweig, an die jeweils unterschiedliche Ansprüche gestellt werden. Traut mir zu, dass ich die Richtige für Euch finden würde." Dann wartet er ab, offensichtlich bereit, Melville Raum zum nachdenken zu lassen.
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #334 am: 13. Februar 2012, 13:47:31 »
Melville weiß genau, dass der Baumeister den Nagel auf den Kopf getroffen hat, dennoch verletzt es seinen Stolz, wie ihm seine Schwäche unter die Nase gerieben wird, und gereizt erwidert er: „Ihr müsst Euch um mich keine Sorgen machen. Ich habe jeden Eurer Aufträge erfüllt, und auch wenn mir das nicht leicht gefallen ist, habe ich mich mit meiner Rolle arrangiert. Schließlich habe ich mich jedesmal wieder zur Stelle gemeldet.“

Nachdem er sich so Luft gemacht hat, sieht er ein, dass er so nicht weiterkommt. Bewusst schiebt er seinen Ärger beiseite und erklärt etwas weniger hitzig: „Es kommt mir nur so vor, als ob ich mit meinen Ordensbrüdern immer weniger gemeinsam habe, als wenn ihre Ansichten und meine sich nicht mehr allzu gut vertragen. Ich weiß nicht, was Ritter Visillo Euch erzählt hat, aber mich hat er nach dem Kampf angeschaut wie ein Monster, und das, obwohl wir ansonsten ohne Schwierigkeiten zusammengearbeitet haben.“

Tatsächlich nimmt er sich nun eine Minute, um zu überlegen, scheint aber dann zu einem Ergebnis zu kommen. „Mir geht es nur darum, dass wir beide wissen, worauf wir uns einlassen, das ist alles.“ Nun schleicht sich eine Bitterkeit in seine Stimme, die Prokion von ihm nicht kennt. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass Ihr mich da einsetzten werdet, wo ich Euch den größten Nutzen bringe.“

Für ihn ist das Gespräch damit beendet. Zwar zwingt ihn der Anstand, zu bleiben, bis sein Campeon ihn entlässt, doch seine Körpersprache lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht vorhat, noch etwas zu dem Thema zu sagen.
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #335 am: 14. Februar 2012, 11:56:16 »
Bei Melvilles ersten Worten ziehen sich auch Prokions Brauen zusammen und Melville fällt wieder ein, dass er seinem Campeon gegenübersitzt, der berühmt ist für seine Wutausbrüche und Unnachgiebigkeit seinen Rittern gegenüber und fast wundert er sich, dass auf seine bissige Antwort kein Ausbruch erfolgt.

Allerdings ignoriert Prokion Melvilles Körpersprache, sein Tonfall aber neutral und wenn er Ärger über Melvilles Worte verspürt, so läßt er es sich nicht anmerken. "Nun, ich habe mit Ritter Visillo gesprochen. Fragt ihn über seine Eindrücke selbst, das wird das Beste sein. Und gewiss mache ich mir Sorgen um Euch, aber nicht mehr als um viele andere meiner Untergebenen." Hier ist vielleichte eine kleine Spitze herauszuhören.

"Es ist meine Aufgabe Euch dort einzusetzen, wo Ihr Eurem Orden den größten Nutzen bringt. Noch traue ich mir das zu und sollten unsere Ansichten darüber irgendwann zu weit auseinandergehen, dann dürft Ihr den Dienst im Orden quittieren. Bis dahin wird hoffentlich noch einige Zeit vergehen, ich kann Euch nicht zwingen zu bleiben, aber solange ich Euer Campeon bin, dürft Ihr meiner Erfahrung vertrauen."
Es ist eindeutig, dass Prokion auf eine Antwort wartet.
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #336 am: 14. Februar 2012, 16:23:55 »
Schon liegt Melville eine hitzköpfige Erwiderung auf der Zunge, aber er schluckt sie hinunter, als ihm klar wird, dass es eigentlich für ihn nichts zu erstreiten gibt, was so wichtig wäre, den Zorn des Baumeisters zu riskieren.

Auch wenn es ihm nicht ganz so gut gelingt, seine Emotionen zu verbergen, versucht er sich zumindest an einem ebenso sachlichen Tonfall,. „Ihr habt mich nach meinen Bedenken gefragt, nun kennt Ihr sie. Was meinen künftigen Einsatz angeht, erwarte ich Euren Befehl.“
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #337 am: 15. Februar 2012, 12:10:45 »
Anscheinend zufrieden mit Melvilles Antwort nickt Prokion. "Ich werde Euch Nachricht schicken, aber erwartet keinen Einsatz in den nächsten Wochen. Möge Amabea Euch schützen."

Und als ob er an der Tür gelauscht hat öffnet Paldichan diese und die Audienz ist beendet.
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #338 am: 15. Februar 2012, 17:44:41 »
Nachdem er sich mit einer knappen Verbeugung verabschiedet hat, merkt Melville, wie dringend er ein bisschen Erholung braucht, und wie erleichtert er darüber ist, für eine Weile keine Pflichten zu haben. Nun, wo Jonas außer Gefahr ist, er selbst seine Glaubenskrise überwunden hat und der fünfzehnjährige Mel angesichts der offiziellen Mitgliedschaft von einem Ohr zum anderen grinst, fühlt Melville sich regelrecht befreit, und auf dem Heimweg pfeift er eine fröhliche Melodie.

In der nächsten Zeit kostet er seine Freizeit in vollen Zügen aus. Er trifft seine Freunde, verbringt viel Zeit mit Sarana und erduldet gutmütig die Andeutungen seiner Eltern und Geschwister hinsichtlich einer Verbindung zwischen den Yozans und de Bonacieuxs.

Eine ganze Weile verschwendet er keinen Gedanken an die Probleme, die noch vor ihm liegen, aber eines Abends stoppt er auf halbem Weg zum Tempel. Absichtlich hat er seine Axt zuhause gelassen, damit er sie nicht am Eingang zum Tempel zurücklassen muss, aber plötzlich stellt er fest, dass er doch die Scheide auf dem Rücken trägt. Fast glaubt er an ein göttliches Zeichen, zumindest wird ihm in diesem Moment aber deutlich, dass er noch etwas Wichtiges zu erledigen hat.

Schon früh am nächsten Morgen reitet Melville aus der Stadt, um sich abseits des Weges ein ruhiges Plätzchen in einem Buchenhain zu suchen. Nachdem er sein Pferd zum Grasen angepflockt hat, breitet er eine Decke auf dem feuchten Boden aus, setzt sich mit überkreuzten Beinen hin, nimmt die Axt aus der Scheide und legt sie vor sich auf die Decke. In einem kurzen Gebet bittet er Amabea, ihm Kraft zu geben, und Weisheit. Dann konzentriert er sich auf Luztazéro.

Nervös leckt er sich über die Lippen, die plötzlich ganz trocken sind und räuspert sich geräuschvoll. Zögernd streckt er die linke Hand nach der Waffe aus und fährt immer wieder die Verzierungen auf dem glänzenden Metall nach, eine automatische Bewegung, die eine fast hypnotische Wirkung auf ihn ausübt und ihn ein wenig beruhigt. Schließlich legt er den Unterarm auf seinem Knie ab, so dass seine Fingerspitzen noch leichten Kontakt zu der Klinge behalten.

Leise beginnt er mit seiner Waffe zu reden, ohne sich zu vergewissern, ob Luztrazéro überhaupt zuhört. Denn mit einem Mal spürt Melville, wie schwer ihm die Ungewissheit auf der Seele liegt, und die Worte fließen nur so aus ihm heraus. „Du wurdest als Geschenk für meinem Vorfahren geschaffen, von Generation zu Generation weitergegeben. Ich habe dich getauft. Wir haben gemeinsam viele Kämpfe überstanden. Bis du zu mir gesprochen hast, habe ich nicht geahnt, womit ich es hier zu tun habe. Das weiß ich auch jetzt noch nicht, aber eins ist mir klargeworden: Ohne dich wäre ich nicht zu dem geworden, der ich heute bin. Ich glaube aber auch, dass du ohne mich nicht dasselbe wärst. Wir gehören zusammen.“

Erinnerung steigen in ihm hoch, an Kämpfe, bei denen das Adrenalin durch seine Adern jagte wie eine Droge, und an das Hochgefühl nach dem Sieg. Aber auch an sein Entsetzen beim Anblick der toten Chuor kann er sich noch gut erinnern. „Ich bin dankbar für die Magie in dir, weil ich ohne sie vielleicht schon nicht mehr am Leben wäre. Aber dieser letzte Kampf hat mir eine Heidenangst eingejagt. Du musst verstehen, dass ich für alles was ich tue, die Verantwortung trage. Ich musste schon manches Mal Dinge tun, die mein Gewissen belastet haben, aber immerhin war es meine eigene Entscheidung. Neulich, da wusste ich überhaupt nicht, was mit mir passiert, ich kann mich ja nicht einmal mehr daran erinnern, was ich getan habe.“ Ganz leicht schüttelt er den Kopf. „So kann ich nicht weitermachen, das geht einfach nicht.“

Weiter streicht er über das Metall, als könnte er die Axt damit besänftigen. „Wir sollten darüber reden, wie es weitergehen soll. Wie es uns gelingen kann, zusammenzufinden.“ Seine Hand beginnt leicht zu zittern, und er ist nicht sicher, wovor er sich mehr fürchtet: Vor Luztrazéros Antwort oder vor seinem Schweigen.
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #339 am: 16. Februar 2012, 12:11:19 »
Fast augenblicklich erklingt die Stimme der Axt. "Erinnere dich, nicht ich habe dich übernommen, nur du hast in jenem Kampf alle Bedenken über Bord geworfen. Es ist deine Entscheidung, dies wieder zu tun. Und dann war ich für dich da."

Fast klingen die nächsten Worten etwas überheblich. "Wenn du dagegen halbherzig, stets mit euren Ordensregeln im Hinterkopf, kämpfen möchtest, dann kann ich dich daran nicht hindern. Nur bist du dann nicht mein Lutamestre."
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #340 am: 16. Februar 2012, 18:21:31 »
Melville widerspricht mit einem Feuer, das eine ebenso große Entschlossenheit verkündet wie die, die Luztrazéro erkennen lässt. „Ich habe einen heiligen Eid geschworen, dem Orden zu dienen, und ich habe es getan, weil ich davon überzeugt bin. Auch wenn ich bereit bin, im Interesse der guten Sache die Regeln ein wenig freier auszulegen, heißt das noch lange nicht, dass ich sämtliche moralischen Grenzen in den Wind schlage. Dann wäre es wirklich so weit, dass ich um keinen Deut besser bin als die Dämonen, Chuor und Handritter, die ich bekämpfe.“

Kaum hat er seinem Ärger Luft gemacht, sinkt Melville in sich zusammen wie ein Häufchen Elend. Hier liegt sein kostbarster Schatz vor ihm, für ihn das Symbol für alles, was gut und richtig ist, sein treuer Begleiter in allen Kämpfen und sagt ihm, dass er nur dann gute Taten vollbringen kann, wenn er Anstand und Rechtschaffenheit hinter sich lässt. Eine Stimme in ihm flüstert ihm zu, dass er hier und jetzt seinen Mann stehen und sich Luztrazéro verweigern sollte, selbst wenn sein Erbstück dann nur noch eine ganz normale Waffe wäre. Aber dann betrachtet er das Funkeln des Metalls im Sonnenlicht, den elegante Schwung der Verzierungen, die scharfe Schneide, und der Anblick löst in ihm eine tiefe Sehnsucht aus, die er nicht erklären und schon gar nicht in Worte fassen kann. In dem Moment weiß er nur, dass es so nicht enden darf.

Nachdem er eine Weile geschwiegen hat, fragt er behutsam: „Was meinst du damit, du bist für mich da? Heißt das, du sorgst dafür, mir im Kampf zu helfen, koste es, was es wollte? Heißt es, du richtest unsere Kampfkraft gegen alle Feinde, die mir gefährlich werden, verschonst aber diejenigen, die auf meiner Seite stehen? Oder diejenigen, die sich ergeben?“

Nun ist die Verzweiflung deutlich zu hören: „Du würdest doch nicht zulassen, dass ich selbst zu einer Gefahr für alle Umstehenden werde, nicht wahr? Wie kann ich mich dir anvertrauen, mich ganz und gar ausliefern, wenn ich befürchten muss, dass ich dadurch zu einem gnadenlosen Mörder werde?“

Auch wenn er seine schlimmsten Ängste ausgesprochen hat, will Melville selbst nicht glauben, was er gerade angedeutet hat. Er klammert sich an die Hoffnung, dass Luztrazéro ihm gleich versichert, dass es eine Möglichkeit gibt, wie sie beide ihren gemeinsamen Weg fortsetzen können. Mit einem tiefen Atemzug versucht er sich zu beruhigen, und plötzlich, als hätte er seine eigenen Worte schon wieder vergessen, fragt er voller Neugier: „Was bedeutet das, ‚Lutamestre‘?
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #341 am: 17. Februar 2012, 17:57:03 »
"Wenn du es zuläßt bist du mein Lutamestre, mein Kampfmeister." Luztrazero spricht das Wort in der richtigen Euther Betonung aus. " Dann erklingt etwas, das fast wie ein Seufzen klingt. "Deine Feinde sind meine Feinde und deine Freunde sind die meinen. Ich bin es nicht, der entscheidet, wen du angreifst und wen nicht. Unser erster gemeinsamer Kampf gegen die Chuor - du kannst dich an ihn erinnern, du hättest ihn jederzeit beenden können. Es war deine Entscheidung, ihn bis zum Ende zu fühen."
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #342 am: 17. Februar 2012, 19:49:55 »
Nachdenklich schüttelt Melville den Kopf. „Erst hinterher konnte ich mich an alles erinnern, aber während des Kampfes war ich nicht Herr meiner Sinne. Auch wenn es wohl meine Entscheidung gewesen ist, mich mit all meiner Kraft in diesen Kampf zu stürzen, war ich nicht in der Lage, ihn abzubrechen. Nicht bis zum Schluss, als ich alle Feinde erschlagen hatte.“

Unschlüssig trommelt Melville mit den Fingern auf der Klinge. „Aber vielleicht kann ich lernen, die Kontrolle zu behalten, selbst dann, wenn ich mit aller Hingabe den Sieg erreichen will.“ Diesen Satz hat er zu sich selbst gesprochen, aber dann richtet er das Wort an Luztrazéro. „Denkst du, das ist möglich? Und weißt du, wie ich das am Besten anfangen könnte?“
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #343 am: 18. Februar 2012, 14:26:11 »
Die Klinge wirkt ungehalten. "Entweder kämpfst du um zu siegen oder um nicht zu verlieren." Dann eindeutig in Erinnerungen schwelgend. "Der erste Rausch ist immer der Schönste." Dann brummelig. "Wenn du dich genug konzentrierst wirst du wissen, was du im Kampf tust, ob du dich bremsen kannst hängt von deiner Willensstärke ab. Ich werde dich nicht abhalten." Nun wieder unzufrieden.
Und nach einer Pause. "Ich habe noch nie gesehen, dass Mäßigung und Hingabe Hand in Hand gehen."
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Re: Melville: Alte Feinde
« Antwort #344 am: 18. Februar 2012, 20:01:08 »
Zunächst ist Melville in seine eigenen Gedanken versunken, versucht herauszufinden, ob wahre Kampfkunst sich tatsächlich nur dann entfalten kann, wenn es keine Beschränkungen gibt, keine Hemmungen. Auch wenn die Worte ihn unsicher gemacht haben, sträubt sich in ihm etwas dagegen, klein beizugeben. Vielleicht ist es nur sein Stolz, der ihm verbietet, eine Diskussion gegen eine Waffe verloren zu geben. „Das werde ich schon schaffen, du wirst sehen“, widerspricht er, auch wenn er in Wirklichkeit keineswegs so zuversichtlich ist.

„Wenn du mir nicht helfen willst, mich zu beherrschen, ist das deine Entscheidung. Aber falls es mir nicht gelingt, dann wirst du keinen Lutamestre haben, und dann wirst du dich damit begnügen müssen, wieder eine einfache Waffe zu sein, ein Stück Metall, das nur durch meine eigenen Fähigkeiten siegreich sein wird.“ Es ist ein Bluff, der nicht einmal für Melville selbst überzeugend klingt, und er starrt immer noch wie hypnotisiert auf die Muster der Axt, unfähig, den Blick abzuwenden, als hätte er Angst, dass im nächsten Moment alle Magie aus der Klinge verschwindet.
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